1991 - Das Laurentiusfest in Enkhausen


Vergangene Zeiten lassen sich nicht zurückholen, aber in unseren hektischen, von Medien beherrschten Tagen tut es gut, sich an frühere Werte zu erinnern.

Das großartige Laurentiusfest in Enkhausen war für unsere Vorfahren das Fest des Jahres; leider hat es aber in den letzten 50 Jahren immer mehr an Bedeutung verloren.

Nun hat sich die St. Laurentius-Schützenbruderschaft auf ihre Standarten geschrieben, der kirchlichen und der weltlichen Feier neue Impulse zu geben und somit eine alte Tradition neu zu beleben. Zugleich will sie daran erinnern, wie es früher einmal war.

Doch zunächst wollen wir fragen, wie war es denn früher?

Die alte Pfarrchronik soll hier Auskunft geben:

Unsere Pfarrkirche, die dem großen Heiligen und Märtyrer Laurentius geweiht ist, stand schon im 12. Jahrhundert in unserem Dorf., denn im Jahre 1204 wird urkundlich ein Pfarrer zu Enkhausen - mit Namen „Luthevikus de Eckenchusen“ - erwähnt. Es sollten aber noch Jahrhunderte ins Land gehen, bis die damalige Kirchspielpfarrei die lebensgroße Statue ihres Patrons im Jahre 1650 - 2 Jahre nach dem 30-jährigen Krieg - erwerben konnte.

Project Image

Laurentiusstatue

Die Chronik berichtet:

„Im Jahre 1650 wurde die Statue des Hl. Laurentius durch Weihbischof Bernhard Frick (aus Hachen gebürtig) eingesegnet, auch in das Haupt der Statue eine Reliquie des Hl. Gereon eingefügt.“

Diese lebensgroße Figur des Hl. Laurentius, mit seinem Marterwerkzeug, dem Rost und der Friedenspalme, muß auf die Menschen der damaligen Zeit eine magische Anziehungskraft ausgeübt haben. Bald konnte die Kirche an den Laurentiusfesten die Gläubigen nicht mehr fassen, denn die Pfarrchronik weiß:

„Im Jahre 1692 erhielt die Pfarrei zu Enkhausen vom Kölner General-Vikar die Erlaubnis, am Feste des Hl. Laurentius auf Grund der Menge der Pilger (Pilger-Confluxes) die Hl. Messe auf dem Kirchhofe zu halten.“ Irgendwann in diesem Jahrhundert konnte die im Jahre 1896 fertiggestellte neue große Kirche alle herbeigeeilten Pilger aus dem früheren Kirchspiel zur Festmesse aufnehmen und von da an wurde „auf dem Kirchhofe“ nur noch die „Bergpredigt“ von einem Pater aus Werl gehalten.

Manch älterer Enkhauser wird sich erinnern, wie er nach der 2-stündigen Prozession nach Estinghausen am Ufer hinter der Kirche im Gras gesessen und der Predigt des Paters zugehört hat! - Meist stand an diesem August-Tag eine sengende Sonne am wolkenlosen Himmel!

Seit Menschengedenken ging die Laurentius-Prozession bis zum Jahre 1971 nach Estinghausen; doch in früheren Jahrhunderten gab es andere Wege - so überliefert uns die Chronikeintragung von etwa 1850:

„Der eine (Prozessionsweg) führte durch den Stemeler Weg, am jetzigen Kirchhofe vorbei, über das Rohnscheid durch Busch und Wald bis zum Langscheider Kirchwege und auf diesem zur Kirche zurück. Der zweite führte die Wiggenschlade hinauf, dann durch das Stockei, am Weilhofe vorbei, wieder zur Kirche. Zwei beschwerliche Wege, welche der Andacht und Sammlung ebenso wenig förderlich sein konnten, als den Fahnen und sonstigen Paramenten.“

Erst in diesem Jahrhundert, mit einer Eintragung des damaligen Pfarrers Bernhard Kersting vom Jahre 1928, vermittelt die Pfarrchronik genauere Angaben über Größe und Bedeutung der Laurentiusprozession:

„Das Fest des Hl. Laurentius, unseres Kirchenpatrons, wurde am Sonntag, dem 10. August, mit besonderer Feierlichkeit begangen. An der sakramentalen St. Laurentiusprozession nahmen ca. 3.000 Gläubige teil aus nach und fern, sowie 10 Geistliche“ (u. a. wurden die Pfarrvikare aus Hachen, Hövel und Langscheid erwähnt).

Wir können uns das heute kaum mehr vorstellen.

In unserem kleinen Dorf Tausende von Menschen, die die Mühsal eines beschwerlichen und oft weiten Fußweges auf sich genommen hatten, um an dem feierlichen Hochamt und der Laurentiusprozession teilzunehmen.

Laurentiusprozession

Auszug der Prozession aus der Kirche mit der "Ehrenpforte"

Die Enkhauser öffneten den Pilgern ihre Häuser und Herzen. Ganze Zimmer wurden ausgeräumt, um für die Gäste Platz zu schaffen und das Beste, was Küche und Keller zu bieten hatten, kam reichlich auf den Tisch.

Laurentius in Enkhausen war nicht nur eine erhebende, großartige religiöse Feier, Laurentius war ganz besonders auch Volksfest mit

  • Belustigung für die Kinder
  • mit freudigem Wiedersehen zwischen weit entfernt voneinander lebenden Verwandten
  • mit fröhlichem Bechern in den nahe der Kirche gelegenen überfüllten Gasthäusern
  • mit Handwerkern die ihre Dienste anboten
  • mit Händlern, die ihr Obst, Süßigkeiten und andere Waren anboten

Besonders für die Landwirtschaft notwendige Dinge wie Sensen, Heuharken usw., aber auch Kopftücher für die Frauen für die Feldarbeit und Strohhüte für die Männer gab’s zu kaufen.

Um die Kirche herum, auf der Dorfstraße, in jedem Haus war „Laurentius“, alles atmete „Laurentius“.

Es war das Fest des Jahres, war Glaube, Freude, Feierlichkeit, war Hochstimmung und menschliche Begegnung; war vor allem aber auch verdientes Ausruhen nach schwerer Erntearbeit.

Was ist davon geblieben?

Die Chronikeintragung von Pfarrer Spielmann aus dem Jahre 1949 sagt und klagt:

„Die Laurentiusprozession ist sehr schön gewesen. Die Gläubigen sind von weit und breit gekommen. Aber wie man hört, ist die Prozession und die ganze Laurentiusfeier vor etwa 50 Jahren viel großartiger gewesen. Die ganze Umgebung stand im Banne des Laurentiusfestes. Heutzutage kommen die jungen Leute immer mehr von der Laurentiusfeier ab. Daran schuld ist das Verschwinden des religiösen Geistes; es wird zuviel Zerstreuung geboten.“

Die Chronikeintragung von 1953 erzählt:

„Am Laurentiusfeste ging die Prozession wieder den alten Weg nach Estinghausen. Viele Fremde waren wieder anwesend. Aber was ist das gegen frühere Zeiten vor 50 Jahren?“


Laurentiusprozession

Das Allerheiligste während der Prozession unter dem "Himmel"

Laurentiusprozession

"Lorenzes" - Prozession

Laurentiusprozession

Viele andächtige Pilger säumen den Prozessionsweg

Laurentiusprozession

Laurentius-Prozession auf dem Wege nach Estinghausen


Und es kommt die Befürchtung zum Ausdruck:

„Es wird wohl einmal die Zeit kommen, da kein auswärtiger Katholik etwas weiß von der großen Laurentiusfeier in Enkhausen.“ Diese pessimistische Vorhersage von Pfarrer Spielmann aus dem Jahre 1953 will die Schützenbruderschaft St. Laurentius Enkhausen nicht wahr werden lassen.

„Glaube, Sitte, Heimat“ sind für sie eine hohe Verpflichtung, den Geist tiefer Frömmigkeit vergangener Jahrhunderte zu achten und zu ehren, aber auch gesunder Lebensfreude - im fröhlichen Aufeinanderzugehen und im herzlichen Miteinander - Raum zu geben. So wie es unsere Vorfahren gehalten haben.

Bis zum Ende dieses Jahrhunderts und weit darüber hinaus soll es wieder vielstimmig und feierlich bei der Prozession durch das Enkhauser Tal schallen:

„Zu Dir schick’ ich mein Gebet,
das um Deine Hilfe fleht,
Heiliger Laurentius.“