1992 - Die Geschichte der Glocken


Die Geschichte der Glocken im rund 1000 Jahre alten Turm der St. Laurentius-Kirche zu Enkhausen

In der wechselvollen Geschichte der Glocken von Enkhausen gibt es Freude und Wehmut, so wie nur das Leben selbst eine Geschichte schreiben kann:

Die älteste Glocke hoch im Turm stammt aus dem Mittelalter, dem Jahre 1435, und sie ist mit ihrem Gewicht von 750 kg und 105 cm Durchmesser zugleich die größte und schwerste im Glockenstuhl. Sie trägt die Inschrift: „Claes haller goet mich 1435.“

Zur Zeit des erbarmungslosen 30-jährigen Krieges (1618 - 1648) wurde die Glocke mit der Jahreszahl 1631 von einem Glockengießer Nikolaus aus Lothringen umgegossen, da sie einen Sprung hatte. Sie trägt die Inschrift: „S. Joh. Baptista et evangelista, Anna et S. Stephane, orate pronobis ann. D. 1631.“

Noch im gleichen Jahrhundert wurde die Glocke mit der Jahreszahl 1680 von Glockengießer Delapaix aus Arnsberg umgegossen, weil auch sie einen Sprung hatte. Ihre Inschrift sagt aus: „S. Maria, S. Anna, S. Agatha, orate pro nobis, Hermann Massen, pastor, Joh. Carl ab Ohl vicarius primus, Henrich Schram, Everdt Burdick provisores 1680.“

Eine Laurentius-Glocke, die im Jahre 1776 als Ersatz für eine noch ältere Laurentius-Glocke gegossen wurde und die mit ihrer Inschrift verkündete: „Laurentius mein Nam vorher, derselbe bleib zu meiner Ehr. Blitz, Donner, Zauberei abwende, wenn man mich zieht aus gutem Ende, die Lebenden rufe, die Toten beweine - mit meinem Klang Gott lobe und preise.“ wurde um 1900 durch eine neue - von der Firma Humpert in Brilon gegossene Glocke ersetzt.

Diese Glocke hatte keine Inschrift. Ihr tragisches Schicksal war es, daß sie hoch im grauen Turm nur ein kurzes Glockenleben haben durfte und daß ihr eherner Leib im 1. Weltkrieg (1914 - 1918) in eine Schmelzfabrik zu Kanonenkugeln umgegossen wurde. Im Jahre 1917 hat sie Enkhausen verlassen.

Für die vom 1. Weltkrieg verschlungene Glocke gab es im Jahr 1932 eine neue. Hören wir, was Pfarrer Bernhard Kersting über diese Glocke und ihre feierliche Weihe zu sagen wußte:

„Als Ersatz für die im Weltkrieg abgelieferte Glocke ( es war eine neuere von Humpert, Brilon, ohne Inschrift) wurde am 31. Juli 1932 von Herrn Dechant Verse, Hagen, eine neue Glocke zu Ehren des Hl. Laurentius feierlich eingeweiht. Paten waren:

Sie wurde geliefert von der Firma Heinrich Humpert, Joh. Albert Junker und Bernh. Edelbrock, Brilon. Es ist eine Bronze-Glocke mit dem Ton „Gis“, mit einem Gewicht von 624 kg, Durchmesser 99 cm, für 1.100 RM einschl. Montage. Auch wurde der Glockenstuhl ein Stockwerk höher gelegt und so gestellt, daß die Glocken in Richtung des Enkhauser Tales schwingen, während sie früher senkrecht zur Talrichtung schwangen. Dadurch wurde eine bessere Schallwirkung erzielt.“

Zehn Jahre lang schallte es nun im schönen Vierklang harmonisch und mächtig vom hohen Turm über Dorf und Tal.

Etwas Einzigartiges sollte hier nicht unerwähnt bleiben: Der damalige Küster, Herr Wilhelm Schümer, veranstaltete mit seiner Tochter Lisbeth zu besonders festlichen Anlässen ein rhythmisches Läuten. Der Küster und seine Tochter nahmen je zwei Glockenklöppel in die Hand und schlugen sie in bestimmter Reihenfolge abwechselnd an. Dieser rhythmische Klang der 4 Glocken (es war nur mit 4 Glocken möglich) muß so flott und anfeuernd gewesen sein, daß der Volksmund in den Versen mitsang:

„Dai Haiesker kummet diän Katenbrink run;
dai Langesker kummet en Rounsket run;
dai Hächener Schmachtlappen sin äok all do!“

Doch dann war wieder einmal Krieg (1939 - 1945) und Pfarrer Kersting überliefert uns wehmütig aus dem Jahre 1942: „Am 25. März, zum Feste Mariae Verkündigung, fand noch einmal ein feierliches Glockengeläut statt; dann wurden von unseren 4 Glocken drei abgeliefert:

um für Kriegszwecke verwendet zu werden.“

Es gehört zu ihrer Geschichte und es sollte an dieser Stelle gesagt werden, daß diesen 3 Glocken kein „standesgemäßer“ Abschied bereitet wurde, denn es war die allgemeine Meinung:

„Dai kümmet säowiesäo nit wäier!“

Sie wurden also kurz und bündig - sehr unsanft!! - einfach aus einem der Turmfenster geworfen! Dann standen die 3 Glocken traurig neben der Kirche - zum Abtransport ins Ungewisse bereit.

Die älteste Glocke aus dem Jahre 1435 mußte fortan allein „die Stellung“ in der Heimat halten und ihr Klang war dünn und trostlos.

Doch auch der grausamste Krieg hat einmal ein Ende! Die beiden alten Enkhauser Glocken aus dem 17. Jahrhundert hatten Glück! Wider alles Erwarten mußten sie nicht das Schicksal erleiden, für Kriegszwecke eingeschmolzen zu werden.

Verhaltene Freude schwingt mit in der Chronik-Eintragung von 1945:

„Kurz vor dem Fest unseres Kirchenpatrons, des Hl. Laurentius, bekamen wir unsere im Kriege abgelieferten alten Glocken wieder, vom Jahre 1631 bzw. 1680. Sie fanden sich wieder auf dem Kupferwerk in Lünen.“

Doch die Laurentius-Glocke von 1932 blieb verschwunden und fand nie wieder den Weg nach Enkhausen zurück. Ihr Platz im Glockenstuhl ist seit ihrem Abtransport im letzten Krieg verwaist und nie wieder hat das Geläute die frühere Harmonie und Klangstärke erreicht!

In ihrer Dokumentation geben die 12 Firmlinge von 1990 ihrem Wunsche Ausdruck:

„Ob nicht vielleicht eines guten Tages St. Laurentius wundersam tätig wird und die verschollene Glocke, die seinen Namen trägt, heim geleitet, oder - da sie wahrscheinlich im Krieg eingeschmolzen wurde - dafür Sorge trägt, daß eines gesegneten Tages eine neue Glocke gegossen wird, um im Turm zu Enkhausen die Laurentius-Glocke zu sein?!

Wie schön wäre das!“

Es ist wirklich wie ein Wunder!

Mit viel Idealismus und Engagement haben die Firmlinge von 1990 ihre „Geschichte des Turmes“ verkauft und damit den Grundstock für eine neue Laurentius-Glocke gelegt. Am 17. März 1991 haben sie zusammen mit ihren Müttern und anderen Helfern einsatzfreudig und begeistert einen sehr erfolgreichen Osterbasar durchgeführt und den Erlös der Laurentius-Glocke zukommen lassen.

Drei Enkhauser Vereine (Gesangverein, Sportverein und Tambourcorps) haben den Gewinn ihrer Karnevalstombola 1991 großherzig für die Laurentius-Glocke gespendet. Auch die St. Laurentius-Schützenbruderschaft Enkhausen und die Katholische Frauengemeinschaft Enkhausen haben einen Teil des Erlöses des Laurentiusfestes für die Anschaffung der neuen Glocke zur Verfügung gestellt. Das, was noch fehlte, haben Einzelpersonen und Firmen gerne gegeben. Und nun ist ein Wunsch wahrgeworden!

Unsere neue Laurentius-Glocke wird am Samstag, dem 1.8.1992 von dem Glockengießer, Herrn Hans August Mark in Daum/Eifel gegossen. Sie ist wie ihre Vorgängerin eine „GIS-Glocke“ und wird die Teil-Inschrift der ersten bekannten Laurentius-Glocke von 1776 erhalten:

„St. Laurentius, bitte für uns!
Die Lebenden rufe, die Toten beweine -
mit meinem Klang Gott lobe und preise.
Die Firmlinge 1990.“

Die 12 Firmlinge von 1990 werden Glockenpaten sein sowie der Herr Baron Clemens von Wrede, Melschede (das Haus von Wrede war der Kirche zu Enkhausen immer eng verbunden) und Herr Gerhard Mimberg, dessen mutiger und unermüdlicher Einsatz es überhaupt erst möglich machte, daß nach genau 50 Jahren wieder eine neue Glocke ihren Einzug hält.

Die neue Glocke, die den Namen unseres großen Kirchenpatrons „Laurentius“ tragen wird, soll am diesjährigen Laurentiusfest, dem 9. August 1992 feierlich geweiht werden.