1993 - Die Laurentius-Prozession nach Estinghausen und der "liebe Gott von Estinghausen"


Viele Jahrzehnte lang ging die Laurentius-Prozession den 2-stündigen Weg nach Estinghausen - bis das Auto die Straße beherrschte und im Jahre 1972 den alten Traditionsweg verdrängte.

Es war schön damals, durch die sommerlich blühende Flur von Enkhausen nach Estinghausen zu gehen - wenn auch manchmal eine sengende Sommer-Sonne vom wolkenlosen Augusthimmel schien.

Die 1. Station war bei „Neveling’s Kreuz“, an der Landstraße kurz vor Estinghausen. Im Schein der Kerzen und mit Blumen geschmückt, schien Christus am Kreuz unter seinem grünen, manchmal ernst und dunkel wirkenden Blätterdach, weniger traurig als sonst zu sein.

Die 2. Station war bei „Maggen Kreuz“ - oberhalb von Brinkschulte-Maggen Hof. Auf weißem Damast standen Leuchter mit brennenden Kerzen und in schönen Vasen bunte Sommerblumen zur Ehre Gottes und seines Märtyrers Laurentius.

Die älteren Leute aus unserer Heimat werden sich noch gut erinnern an den Weg von der 1. zur 2. Station über Heymer’s Hof. Fähnchen und Birken zu beiden Seiten des Weges geleiteten die Prozession bis zum Hof.

Trotz drängender Erntearbeit auf den Feldern haben Heymer’s es sich nie nehmen lassen, am Eingang zum Hof aus frischem Tannengrün und Blumen eine Ehrenpforte zu errichten. Wenn dann noch im Türmchen auf dem Dach des Wohnhauses ein aufgeregtes Glöckchen sein helles Willkommen läutete, der alte Gottfried Heymer mit dichtem schlohweißem Haar auf dem Steinpodest vor seiner Haustür kniete - in dieser ehrfürchtigen Haltung den Priester mit der Monstranz erwartend - dann mag es den Pilgern doch sehr feierlich und eigen zumute gewesen sein und die „Engelchen“ mit weißen oder rosa Kränzchen im Haar mögen sich wohl dem Himmel ein Stückchen näher gefühlt haben! Wen wundert es da, daß Gottfried Heymer vom Volksmund respektvoll - liebevoll der „liebe Gott von Estinghausen“ genannt wurde.

Zur 3. Station ging es dann von Maggen Wiese zu „Schulten Heiligenhäuschen“, das an der Landstraße mitten im Dorf liegt. Dieses Heiligenhäuschen ist der Heiligen Familie gewidmet. Fleißige Hände (Schulten und Nachbarn) legten Jahr für Jahr einen langen Läufer aus Blumen vom festlich geschmückten Heiligenhäuschen bis weit auf die Landstraße hinaus (bis zur Mitte unseres Jahrhunderts konnte man noch die vorbeifahrenden Autos zählen!)

Die 4. Station war am „Heiligenhäuschen von Schulte-Bauerdick“, Kirchlinde, am Fuß der Wiggenschlade zwischen Enkhausen und Estinghausen gelegen. Es ist der Mater Dolorosa geweiht.

Nach dem Segen in dieser festlich geschmückten letzten Station, bewegte sich die Prozession langsam wieder auf das Dorf zu. Nach einer kleinen Biegung der Straße grüßte vertraut der rund 1000 Jahre alte Kirchturm und alle Glocken läuteten.

Das war „Laurentius“ bis zum Jahr 1971!